MEMORY I + II

Memory I
Überarbeitete Fotografien. Präsentation in „Lebensgröße“ / Revised photos. Presentation in natural size

Der Blick des Fotografierenden ist vergleichbar mit dem subjektiven Erinnern des Gedächtnisses: Im Moment des Fotografierens wird eine Erinnerungssequenz festgelegt, d.h. es wird eine Entscheidung für einen Erinnerungsmoment getroffen. Das ist nicht so für denjenigen, der fotografiert wird. Wir alle sind im Besitz von Bildern, die, zumeist in der Kindheit, von uns gemacht worden sind. Verstaut in Pappkartons, gebündelten Briefumschlägen oder Fotoalben finden sie sich zumeist in den hinteren Bereichen von Schubläden, Regalen oder Schränken. Wir bekamen sie überreicht beim Verlassen der elterlichen Wohnung oder als wir selbst Kinder bekamen, auch nach einem Todesfall. Manchmal, eher selten, kramen wir diese Fotos hervor – wenn wir einen neuen Partner kennen gelernt haben, wenn uns gute Freunde besuchen oder wir uns selbst unsere Kindheit, unsere Vergangenheit in Erinnerung rufen wollen.

Bei Fotografien, die in meiner Kindheit aufgenommen worden sind, fällt es mir heute schwer den Zeitpunkt und die Situation der Entstehung anhand des Abgebildeten zu rekonstruieren. Beides, Zeitpunkt und Situation in die diese Abbildung eingebettet ist bleiben ungefähr oder fehlen gänzlich in meinem Gedächtnis. Die einzigen Erinnerungen, die dann in mir beim Anblick der Fotografien geweckt werden, sind die an Räume, Orte und Gegenstände, nicht aber an die Situation in der ich mich nachweislich befunden haben muss. In „Memory“ habe ich diese Aufnahmen aus der Kindheit bearbeitet. Ich habe mich aus dem Foto gelöscht. Eine weiße Fläche entstand so, inmitten eines noch vorhandenen Umraumes der jetzt meine Silhouette bildete, die äußere Kontur meiner selbst. Dieses Leerstück, den weißen Bereich, habe ich gefüllt, sichtbar rekonstruiert aus dem vermeintlichen Raumhintergrund, den meine Person ursprünglich verdeckt hat. Somit wird das Foto für mich mehr Erinnerung, als es vorher war. Die Schnittstelle ist der Raum, die räumliche Erinnerung. Die Bilder sind Erinnerung an die fehlende Erinnerung.

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The viewpoint of the photographer resembles the subjective memory: in the instant of the exposure a sequence of memories will be fixed, that is a decision for a particular memory moment will be taken. This is not the same for the object oft he photograph. We are all in possession of pictures, which were taken of us mostly during our childhood. Stowed away in cardboard boxes, bundled envelopes or photo albums you find them mostly in the rear section of drawers, shelves or cabinets. We received them when we left the parental home or when we had children ourselves, or after a bereavement. Sometimes, rather seldom, we dig those photographs up – when we meet a new partner, when good friends come to visit or when we want to bring back recollections of our childhood, our past.

With photographs taken during my childhood I have difficulties today to reconstruct the time point and the situation by means of the depicted. Both, time point and situation embedded in the image remain vague or are completely missing in my memory. The only memories awakened when looking at the photographs are the rooms, places and objects but not the situation I must evidently have been in. In ‚Memory’ I have processed these images from my childhood. I have erased myself from the photo. Thus, a white area was generated in the core of a surrounding expanse marked by my silhouette, my outer contour. This void, this white space I have filled, visibly reconstructed from the alleged background of the room originally covered by my person. Consequently, the photograph turns for me even more into a memento than before. The interface is the space, the spatial memory. The pictures are souvenirs of the missing memory.

Memory II
Modell einer Nachstellung/ Model of a recreation

Präsentationsorte / Places of presentation

Galerie Olaf Stüber, Berlin (2002)

Künstlerhaus Bethanien „believe it or not“, Berlin (2004)